Vorwort Jörg Langenberg Bleckenstedt 1976-2000 Silke Westphal 2002-2011 Speculation
Atomsemiotik
2011-2023 Ursula Schönberger Steffi Schlensog

Da können die sich

die Arbeit machen

BIOGRAFIE

Steffi Schlensog unterstützt seit 2009 die Arbeit der AG Schacht KONRAD und war zu der Zeit unteranderem in Kampagnen zu Morsleben und Gorleben involviert. Seit 2011 ist sie bei der Arbeitsgemeinschaft fest angestellt. Im KONRAD-Haus und bei externen Terminen arbeitet sie daran, die regionale Zusammenarbeit zu stärken und Informationsbedürfnis nach zukommen.

Zu den Aufgaben gehört es ja die Leute zu informieren – wie ist das so, nachdem du jetzt schon einige Zeit dabei bist?

Auf den Infoständen in der Region Braunschweig wird man vor allem zur ASSE befragt, da das Thema durch das Absaufen und das illegale Verklappen von Müll so hochgekocht ist – Schacht KONRAD ist auch ein Thema. Da muss man aber schon mehr erklären. Da geht es oft los mit: liegt denn da schon Müll drin? Das wissen die Leute dann gar nicht. Da muss ich immer antworten: das ist ja noch im Bau und während der Bauphase kann man ja noch keinen Müll einlagern. Aber meistens haben wir auch eine aktuelle Aktion – wie jetzt zum Napro (Nationales Entsorgungsprogramm), wo wir auch wieder Unterschriften sammeln wollen. Dazu stellen wir das Anliegen kurz vor und fragen die Leute, ob sie denn nicht unterschreiben wollen. Aber alle Gründe aufzählen, warum Schacht KONRAD nicht funktioniert, mache ich persönlich nicht. Ich betone eher, dass wir uns dafür engagieren, dass es nicht in Betrieb gehen soll – weil es eben politisch entschieden worden ist und nicht nach wissenschaftlichen technischen Kriterien. Meistens lese ich mich vorher aber nochmal in das Thema ein, wenn ich beispielsweise einen Vortrag halten soll – ansonsten ist es für mich natürlich einfacher, wenn ich etwas gefragt werde. Was mir eben immer ein Anliegen ist, ist das nicht nach dem neuesten Stand der Wissenschaft und Technik entschieden wurde. Das soll nur in Zukunft bei dem Endlager für hochradioaktiven Müll der Fall sein – dort soll mit neuesten Erkenntnissen und mit Teilhabe der Bevölkerung gearbeitet werden.

Im Internet ist zum dem Thema Atomkraft immer eine Art Tech-Optimismus zu vernehmen – zwar wird dort auch Kritik geäußert, die Leute scheinen aber insgesamt recht optimistisch zu sein, man müsse es eben nur richtig machen, dann wäre das alles kein Problem. Welche Meinung bringen euch die Leute vor der Tür denn entgegen?

Wir werden einmal im Jahr von den Landwirten im Umfeld zur Feldrundfahrt eingeladen – da meinte mal einer, dass wenn er sich so in der Bevölkerung umhört, da haben viele dann die Checkung – plötzlich sind alle Landwirte und wissen es besser. Und hier sind alle plötzlich sind Atomphysiker und wissen, dass Transmutation das Beste ist. Ich meine, diese Technokraten und Technikgläubigkeit ist ja auch der Anfang der Atomkraft gewesen. Wenn ich mich mit den Kollegen unterhalte, war das beim Bau der AKW in Deutschland auch nicht anders, da waren auch alle technikverliebt: das kriegen wir alles hin. Wiederaufarbeitung? Alles überhaupt kein Problem – und das ist dermaßen den Bach runtergegangen. Entsorgungsnachweis? Das kriegen wir hin! Das wird technisch schon irgendwie möglich gemacht. Und dann kam die Entscheidung, dass KONRAD Endlager für schwach- und mittelradioaktiven Müll werden soll – das machen wir schon technisch möglich. Und 30 Jahre später arbeiten wir immer noch gegen das Projekt. Und wenn man jetzt diesen geheimen Gutachten glaubt, die wir leider nicht einsehen können – einmal das vom Thomauske und das von irgendeinem Berater des Umweltministeriums – die beide bestätigen, dass KONRAD nicht funktionieren wird.[1] Und dazu kommt, dass es mittlerweile so viele Änderungen am Plan gegeben hat, dass es eigentlich einen neuen Planfeststellungsbeschluss bräuchte – das würde das Ding zum kippen bringen. Das haben auch über die Zeit hinweg alle Politiker gesagt – am schönsten war die Äußerung von Frau Hendriks als Umweltministerin während einer Veranstaltung in der Kulturscheune: „jetzt Habens wir’s, jetzt nehmen wir’s.“ Ganz schlimm.

Stellt ihr mit dem Thema auch einen Bezug zur Beziehung zwischen Mensch und Natur her?

Es ist schon so, dass die Leute Angst haben, dass das Grundwasser belastet wird und natürlich auch vor dem, was durch die Schornsteine kommen würde. Wir haben auch Aktionen gemacht, die thematisieren, wie sich Radioaktivität in Fließgewässern verbreitet. Zum Beispiel haben wir bei einer Nachtaktion Flaschen mit Knicklichtern ins Wasser geworfen – die haben dann geleuchtet und wir konnten sehen, wo die sich in Ufernähe gesammelt hatten. Es wird beim Einleiten ja immer von einem Verdünnnungseffekt ausgegangen, aber es kumuliert sich eben an bestimmten stellen, was die Situation wieder schwieriger macht. Um einen Fallout darzustellen, haben wir auch mal Luftballons steigen lassen, um zu schauen, wo die wieder herunterkommen. Aber wenn ich am Infostand stehe, ist das Grundwasser das größte Thema. Die Zusammenhänge sind den Leuten schon bewusst – auch wenn das nicht direkt bei uns wieder rauskommen würde. Das Wasser der ASSE kommt in Richtung Celle an die Oberfläche. Auch das aus Morsleben wird durch die Aller wesentlich weiter ausgetragen. Da müsste ich jetzt aber in die Unterlagen schauen – aber das ist eben auch nicht unbekannt. Noch ein Beispiel zum ASSE-Wasser, das zum Teil auch abgepumpt werden soll, um es dann woanders einzulagern. Da hat sich aus Angst das Wasser abzubekommen, direkt eine Bürgerinitiative (ASSE-Wasser-nein-danke.de ) gegründet. Das macht man ja oft so, dass man Wasser oder andere Materialien, die je nachdem wie bedenklich sie sind, woanders einfüllt. Aber daran sieht man, dass das Vertrauen in die Politik oder in die Betreiber nicht so groß ist – sondern eher niedrig. Ich finde es erstmal gut, dass die Leute aufpassen. Die Frage ist bei sowas, ob man etwas von oben aufgedrückt bekommt oder ob es einem erklärt wird. Das Bereitstellungslager Würgassen haben die Menschen vor Ort auch einfach so aufgedrückt bekommen – da war ja die Hölle los. Und das hat man auch verhindern können – da hat man einen riesigen Aufstand gemacht, da die Idee dahinter auch kompletter Quatsch war. Dort wäre der ganze Müll für Schacht KONRAD erst einmal hingebracht worden, um dann so umverpackt zu werden, dass er in KONRAD hätte eingelagert werden können. Wenn wir jetzt auch sagen, dass KONRAD nie in den Betrieb geht, wäre das dann vielleicht „erstmal ewig“ sitzen geblieben. Aber ganzheitlich thematisieren wir den Bezug zur Natur hier nicht – was wir natürlich thematisieren ist, dass so ein Bergwerk in Wechselwirkungen mit der Natur stehen, welche die Einlagerung erschweren. Und das ist hier eben nicht ausreichend erforscht. Auch diese Zeichnungen, die hier im KONRAD-Haus aufgehängt wurden – das sind ja alles Wahrscheinlichkeiten. Ich meine, bei der ASSE wurde jetzt eine 3D-Seismografik gemacht, um die tatsächlichen Begebenheiten festzustellen – das hat man bei Schacht KONRAD nie gemacht. Wir hatten bei der Atomkonferenz auch mal ein Referat von Prof. Dr. Christian Hübscher, der darüber berichtet hat, wie sich die Gesteinsschichten verändern, wenn sich während einer Eiszeit Eisschichten über dem Gestein bilden – dabei entstehen dann Risse. Für eine Endlagerung des hochradioaktiven Mülls muss dann aufgrund der zeitlichen Dimension schon auf so etwas eingegangen werden [2] – die Frage ist, ob das bei der Suche tatsächlich gemacht wird.

Ich frage mich, wie schnell man dann doch bei einem größeren Kontext – vielleicht sogar einem planetarischen Kontext – ist, allein durch das Thema Atomkraft

Naja, beim Thema Atomkraft muss einem immer bewusst sein, dass die Intention dahinter war, waffenfähiges Plutonium herstellen zu können. Das war in Deutschland weniger Thema, aber es ging um die politische Macht und die Möglichkeit diesen Stoff bekommen zu können. Wir haben ja auch Sellafield und La Hague, wo das Plutonium extrahiert wird. Da kommen dann Fragen auf: Wo ist das jetzt eigentlich? Was machen die denn damit? Aus Sellafield kommt auch noch ein CASTOR-Transport zurück – der geht dann nach Brokdorf.

Das bedeutet für euch ist das dann erstmal ein sehr lokales Thema…

Ne gar nicht, das ist nicht lokal. Letztens waren auch Menschen aus Grafenrheinfeld da – der Bürgermeister oder so – die haben Schacht KONRAD besucht. Wir haben ja in ganz Deutschland AKW stehen und die warten alle darauf, dass KONRAD fertig wird. Vielleicht ist das dem einzelnen Bürger nicht so präsent, aber die Gemeinden scharren mit den Hufen. Das ist also ein bundesweites Thema – in der Anti-AKW-Bewegung ist man sich allerdings bundesweit einig, dass Schacht KONRAD nicht sinnvoll ist.

Wie ist diese gemeinsame Haltung entstanden?

Die wurde auf den Atommüllkonferenzen formuliert. Die laufen seit 2012 und dort treffen sich dann alle Initiativen – gut, alle ist übertrieben, aber alle die Zeit und Interesse haben. Da sind dann Leute aus dem gesamten Bundesgebiet da, die als Vertretung aus ihren Gruppen geschickt wurden. Und dann ist das eben Arbeit gewesen – die Konferenz ist eine Tagesveranstaltung. Da werden dann verschiedene Sachen auf die Tagesordnung gesetzt und dann werden zusammen Positions- und Forderungspapiere erarbeitet. Die wurden dann aber auch nicht unbedingt auf einer Konferenz fertig gestellt – das dauert manchmal mehrere Jahre. Dabei wurde dann über Schacht KONRAD oder die ASSE gesprochen, aber auch über unsere Position zur Transportminimierung: Wir sagen nein zu CASTOR- Transporten, solange es kein Endlager gibt. Denn wir halten es für unverantwortlich die Sachen hin und her zu schieben. Beim letzten Forderungspapier – da ging es um die Zwischenlagerung – dachten wir auch, dass wir es endlich abschließen können, aber dann gab es doch wieder etwas. Das ist halt ein Prozess, aber es ist wichtig, dass das diskutiert wird. Dabei spielt auch die Öffentlichkeitsarbeit eine große Rolle: Wie kann die Öffentlichkeit mitgenommen werden? Wir haben dazu immer gesagt, dass die öffentliche Beteiligung am Anfang stehen muss. Wenn erst etwas gemacht wird und im Nachhinein wird dann nach einer Meinung gefragt, ist es zu spät – die BASE und die BGE bekommen ja eine Menge Geld für die Öffentlichkeitsarbeit und in unseren Augen ist das, was die machen, keine Beteiligung, sondern nur noch Informationsveranstaltungen. Die machen auch immer noch vieles online – aber wie soll das denn über den Weg besprochen werden? Das muss man vor Ort machen, bei den Leuten. Das hat online nie den gleichen Effekt, wie der persönliche Kontakt.

Bedeutet das, dass ihr die Meinungen der Menschen mit aufnehmt?

Auf jeden Fall! Als jetzt zum Beispiel das Thema Zwischenlagerung auf der Konferenz besprochen wurde ging es um die Genehmigungen, da die aufgrund der aktuellen Entwicklungen länger im Betrieben bleiben müssen. Da wurde besprochen, wie in den Forderungspapieren darauf einfangen werden soll, dass die Lager jetzt entsprechend ihrer Verlängerung – von der wir eben ausgehen – nachgerüstet werden müssten, damit sie auch nach dem heutigen Stand sicher sind. Denn es kann ja sein, dass es Terroranschläge gibt, sowas muss mitgedacht werden. Da spielen auch die CASTOREN, die Behälter der Brennstäbe, eine Rolle, da die ja auch nur eine gewisse Zeit halten. Das ist eine bestimmte Anzahl von Jahrzehnten, die so ein Deckel dicht ist – aber was ist denn, wenn das nicht mehr so ist? Dann kommt von der Betreiberseite immer, dass die das einfach zuschweißen würden – aber dann kommt man ja gar nicht mehr ran. Wenn ich die Brennstäbe nun stattdessen umlagern möchte – und die Technik gibt es ja – brauche ich eine Heiße Zelle.[3] Und das Thema der Heißen Zelle wurde dann sehr intensiv diskutiert. Wenn ich das jetzt mal ganz oberflächlich zusammenfasse, ging es dabei darum, dass man denken könnte, das Installieren einer Heißen Zelle, beispielsweise in Gorleben oder Ahaus, ja erstmal gut ist, sollten die CASTOR-Behälter kaputt gehen. Aber was ist denn mit anderen CASTOREN? Kommen die dann auch dort hin? Und darüber wurde und wird immer ausgiebig diskutiert – aber das ist uns wichtig! Das diese Diskussion mitgenommen wird.

Was für Input nehmt ihr denn von außen auf?

Diskussionspunkte, wissenschaftliche Erkenntnisse, aber auch Ängste – oder Blicke in die Zukunft, also was für Auswirkungen bestimmte Entscheidungen haben könnten. Da muss ich an das Thema Wohnbebauung denken. Es gibt die Idee festzulegen, dass es in einem Umkreis von vier Kilometern keine Wohnbebauung geben darf – was in Deutschland ziemlich schwierig ist. Einige Initiativen aus dem ASSE-Kontext halten immer noch daran fest – damals war Gorleben aber noch im Rennen und das hatte eben diese vier Kilometer Abstand. Somit hätte man ein Argument für Gorleben geliefert und wir wollen den Leuten von dort nicht in den Rücken fallen. Sowas finden wir schwierig – daher machen wir keine Vorschläge. Wir übernehmen nicht der Arbeit der Bundesregierung – die müssen das liefern. Wir versuchen dann den bundesweiten Blick zu haben und alle mitzudenken.

Wie geht ihr denn mit Konflikt – der sich für mich da gedanklich gerade formt – um, dass ihr zwischen den eigenen Argumenten, der Faktenlage und aber auch den anderen Meinungen vermitteln müsst?

Wir diskutieren das im Koordinationsausschluss und in den Fachgruppen, die wir zu den Themen haben und dort entwickeln wir dann eine Position, die wir öffentlich machen – und an der Position halten wir dann fest. Es gibt auch Situationen, wo andere Initiativen zum gleichen Thema arbeiten – zu Schacht KONRAD gibt es eigentlich nur uns – aber zur ASSE gibt es beispielsweise mehrere mit denen wir dann auch versucht haben ins Gespräch zu gehen und unsere Position darzulegen. Es wollten aber nicht alle unserer Erklärung folgen – auch wenn wir es versucht haben – so dass es dort dann zu einem Stopp in der Zusammenarbeit kam. Auch das wir keine Vorschläge machen – zum Beispiel gab es auch die Idee alte Militärstandorte für den ASSE-Müll zunehmen. In den Klusbergen, die sind bei Halberstadt, gibt es große Stollen – aber eine andere Gemeinde mit dem Müll belasten zu wollen, ohne wissenschaftlichen Hintergrund – da sind wir ganz weit weg von. Und das sprechen wir auch laut aus und haben da eine Position zu. Wir sagen ja auch, wenn uns die Regierung oder die Betreiber erklären könnten, warum ein Ort der sicherste und beste ist, sagen wir ja auch nicht: nö, das geht nicht! Wir brauchen den Ort ja, so erwachsen sind wir dann schon.

Aber dennoch klingt es so, als ob ihr schon eine feste Argumentation habt – warum geht ihr dennoch vor die Tür und sucht das Gespräch mit den Leuten?

Es ist schon so, dass es immer neue Ideen gibt, zu denen wir arbeiten können. Aber das ergibt sich halt. Die Arbeitsgemeinschaft selbst hat zwar schon eine Stammbesetzung, aber es kommen auch immer neue Leute dazu. Mit neuen Ansichten und neuen Ideen – das ist schon ganz erstaunlich.

Und wer trifft die Entscheidung, sich mit einer Idee oder einem Thema zu beschäftigen?

Die Gemeinschaft. Jetzt haben wir uns beispielsweise wieder intensiver mit dem Wasserrecht und der wasserrechtlichen Genehmigung für Schacht KONRAD beschäftigt, da wir gesagt haben, dass der Planfeststellungsbeschluss endlich weg muss. Dadurch dass das alle ehrenamtlich machen, dauern solche Prozesse manchmal Jahre. Auch weil man selbst gar nicht die Zeit hat, obwohl man sich schon regelmäßig trifft. Deshalb gibt es Positionen, die wirklich schon sehr alt sind, die heute aber immer noch aktuell relevant sind und an denen ändert sich dann auch nichts. Aber der Ideenreichtum, zu schauen, welche Möglichkeiten es noch gibt, KONRAD zu verhindern oder insgesamt zu gucken, wie es mit den Zwischenlagern und der Atomproblematik weitergeht – das ist ein ganz großes Thema. Da entstehen auch immer neue Ansätze und das liegt auch daran, dass neue Menschen dabei sind. Dann bilden sich sich neue Initiativen wie die BISS (Bürgerinitiative Strahlenschutz – Braunschweig e.V.) – ein neuerer Zusammenschluss zum Thema ECKERT & ZIEGLER. Und die kommen dann auch zu uns – im Grunde sind wir als AG Schacht KONRAD ja ein Zusammenschluss aus vielen verschiedenen Initiativen. Was ganz interessant ist, weil wir uns nicht als Bürgerinitiative definieren. Wir sehen uns eher als politischen Verein, der auch andere Gruppen befähigt in den Widerstand zu gehen und ein Auge auf den Atommülll zu haben. Und wir arbeiten eben in Fachgruppen und dort ist es dann auch wieder BI-übergreifend.

Ich möchte noch einmal auf der Thema der Zeit eingehen. Im Kontext des Themas scheint es nicht unbedingt eine Notwendigkeit zu geben, eng getaktet auf alle Argumente einzugehen – stattdessen gibt es eine gewisse Zeit, in der man auch in einen Diskurs gehen kann.

Ja, Zeit ist auf jeden Fall ein großer Faktor was die Zusammenarbeit betrifft. Es sind auch schon viele wieder aus der AG ausgetreten, weil die das nicht schaffen, das über den langen Zeitraum auszuhalten – die werden dann vielleicht woanders aktiv. Als ich 2009 hier angefangen habe – zwei Jahre später wurde ich hier auch angestellt; damals sogar noch in Vollzeit – war ich noch viel emotionaler. Aber du kannst nicht immer auf 100 Prozent laufen – man kann an sowas auch verzweifeln. Sowas gibt es auch im Naturschutz, wenn beispielsweise eine Autobahn verhindert werden soll – das kann auch locker zehn Jahre dauern. Und man merkt dahingehend auch die Resonanz von außen. Es gibt auch Zeiten, in denen das in der Bevölkerung gar kein Thema ist. Und wenn mal was hochkocht, ist das auch nicht mehr so wie früher. Ich weiß nicht, ob das an dieser Corona-Auszeit lag, aber diese Großdemonstrationen oder Großaktionen sind seitdem vorbei. Wenn wir dann eine Aktionen hatten, zu der 1000 Leute kamen, haben wir das schon als Erfolg gewertet. In gute Aktionen spielt natürlich noch mehr rein – Masse ist toll, aber wenn man trotzdem etwas bei der Politik bewirkt und eine gute Medienresonanz hatte, ist das auch super. Man merkt das aber auch, wenn die Leute des Themas müde werden, resignieren und abwinken. Die Zeit macht es da halt nicht einfacher. Und dann ist halt auch bei so alten Verein – ich nenne uns jetzt mal alt, auch von der Altersstruktur her – da wird die Zeit auch noch zeigen, wie es überhaupt weitergeht. Vielleicht schaffen wir es noch, unsere Ziele noch vor der Rente zu erreichen – aber das Thema ist deswegen ja nicht weg. Und wenn man jetzt sieht, wie das mit dem Endlager für den hochradioaktiven Müll weitergeht, wo das ja wirklich in den fünfziger, sechziger Jahren erst losgeht – das ist ja Wahnsinn. Da sind wir dann alle weg. Eine Sache, die ich ganz schön finde, sind die Archivvereine, die entstanden sind. Das geschichtlich alles festgehalten wird und dann so erhalten bleibt, dass es der Jugend vermittelbar ist – wenn denn Interesse da ist.

Wie experimentierfreudig ist die AG denn in der Kommunikation?

Das wird beispielsweise in der Kunst manchmal aufgegriffen – aber wenn ich jetzt an die Aktionen denke, die sich so ausgedacht wurden – Wahnsinn! Finde ich ganz abgefahren, was da für Ideen aufgekommen sind. Dafür gabs hier in der Gegend immer Regionalkonferenzen. Da hat sich quasi die gesamte Region getroffen, also noch über den Koordinationsausschuss hinaus und da wurde dann gemeinsam überlegt. Zum Beispiel was passiert, wenn es in Deutschland einen Gau gibt oder wenn die ASSE absäuft. Dazu gab es unheimlich viele Aktionen – beispielsweise das Umzingeln des AKW Grohnde – das war unser Haus-AKW, weil es nur 80 Kilometer entfernt ist – in verschiedenen Radien, um zeigen was dann jeweils dort passieren würde. Dazu wurde auch ein Straßentheater veranstaltet. Das ging schon oft über normale Demonstrationen und Mahnwachen hinaus. Umzingelungen waren natürlich immer ein Thema, aber auch Lichterketten zwischen verschiedenen Standorten. Also ich sag mal so, die Anti-AKW-Bewegung war immer bekannt für ausgefallene Aktionen und auch das bunt sein – unsere Farbe ist ja auch gelb. Auch was Transparente angeht, das ist schon Kunst. Wir bekommen auch oft Feedback von Leuten, die selber nicht dabei seien können, uns aber mitteilen möchten, wie wichtig und gut das ist, was wir hier machen. Es ist auch super wichtig, dass man weiß, wie man die Medien mitnimmt. Dahingehend könnte auch noch der Faschingsumzug in Braunschweig genannt werden, wo die Braunschweiger Atomnarren immer mit dem ASSE-Schiff unterwegs sind. Dazu machen wir hier wirklich so Brainstormings – da sitzt dann die Gruppe und es wird alles reingerufen, egal was. Und da findet sich ein Motto, ein Aufruf.

Wie genau läuft bei euch denn dann bei euch die weitere Gestaltung ab?

Wir haben eine Grafikerin, die Corinna, mit der wir schon lange zusammen arbeiten und die auch ein Gefühl dafür hat, was wir haben wollen. Sie selbst unterstützt unsere Aktionen auch und hat deshalb einen sehr guten Einblick – ich mache dann bei Meetings einfach Notizen und gebe das weiter. Corinna macht uns dann Vorschläge und oft ist was dabei. Aber wir haben auch viele Sachen selber gemacht. Auch wenn es darum geht, etwas zu schreiben oder überhaupt kreativ zu werden – da haben wir immer eine positive Einstellung zu und versuchen Leute auch zu motivieren. Ich weiß noch, wie wir an der Morsleben-Kampagne saßen und ich hab da so ne kleine Skizze gezeichnet – und ich weiß noch, wie begeistert das Team war. Auch weil das authentisch ist. Das ist dann eben kein Perfektionismus, sondern halt daran orientiert, mit welchen Fähigkeiten man sich einbringen kann.

Erreicht eure Arbeit denn auch einen Kontext, der noch über die bundesweite Ebene hinausgeht?

Also KONRAD wird gerne als Vorbild genommen, da es eben ein geplantes Endlager mit Planfeststellungsbeschluss ist. Und die Betreiberin lädt dazu auch Leute aus dem Ausland ein. Wir haben des öfteren schon Menschen aus Japan oder der Schweiz da gehabt, die sich das in Person anschauen wollen. Im besten Fall bekommen sie dann auch mit, dass es hier vor Ort eine kritische Initiative gibt – und wir hatten hier auch schon Leute aus Japan zu Besuch, die der Atomkraft kritisch gegenüber stehen. Genau, also da passiert auch was über Ländergrenzen hinaus. Auch auf der Atommüllkonferenz ist das Thema – wir arbeiten dort mit Initiativen aus Bayern zusammen, die sich mit dem AKW-Bau in Tschechien beschäftigen. Aber um das auch noch einmal zu wiederholen: wir arbeiten ja nicht nur zu Schacht KONRAD. Alles wo Atommüll produziert wird ist unser Thema – und wenn ich in mein Postfach schaue, sind da auch viele internationale Thema dabei: Frankreich, Tschechien, auch in Polen soll gebaut werden, England. Dann auch der Kontakt zur BI Lüchow-Dannenberg (bei Gorleben), die einen engen Kontakt nach Japan haben und dort auch regelmäßig hingeflogen sind. Die Vernetzung entstand über den Internetauftritt – auch nach Afrika. Über die Fachgruppe Radioaktivität hat es auch einen Austausch mit den Uran-Abbaugebieten gegeben. Und bei den Atommüllkonferenzen sind dann beispielsweise auch manchmal Menschen aus Frankreich da, die vom aktuellen Stand ihres geplanten Endlagers berichten. Uns hat über den Verteiler der Atommüllkonferenz auch mal eine Mail aus dem Umfeld der Betreiber erreicht, weil die eine Aktion mit mehreren Initiativen machen wollten – da haben wir diskutiert, aber schlussendlich bin ich nicht deren Sekretärin und wir missbrauchen auch nicht unsere Verteiler für deren Anliegen. Bei uns sind alle verlinkt und da können die sich die Arbeit machen, selber zu schreiben. Da sind wir ganz streng – auch wenn hier angerufen wird.

Auf was genau spielt das an, das hier Leute anrufen?

Also es rufen Firmen an, die nicht wissen, wohin sie ihre Sachen liefern sollen oder wenn ihre Rechnungen nicht gezahlt werden. Da erkläre ich dann, dass wahrscheinlich nicht der politische Verein gemeint ist – auch wenn die Leute hier vor der Tür stehen und der LKW samt Hubwagen schon vorne an der Straße steht. Die merken dann schon, dass das hier nicht passen kann. Aber das finde ich halt so krass – klar, wir stehen im Google Ranking weit oben, wenn man nach Schacht KONRAD sucht – aber die müssen bei der Erteilung des Auftrags doch eine Lieferadresse bekommen haben, oder nicht? Wir scherzen hier schon, dass wenn das mit den Bauteilen schon so ist, dass die uns dann auch den Müll vor die Vereinstür stellen würden. Aber es ist auch nicht selten – also einmal im Monat ruft hier schon jemand an. Aber wie gesagt, so ein riesiger Apparat mit Öffentlichkeitsarbeit, Pressearbeit, allein schon der Homepage-Auftritt und so und dann rufen die Leute bei uns an – aber den Großteil ihrer Sachen scheinen die schon geliefert zu bekommen.

Ist Endlagerung in Deutschland denn überhaupt möglich?

Möglich – naja wir müssen es möglich machen, da der Müll in unserer Verantwortung ist. Es muss aber alles korrekt laufen und wir müssen das bestmögliche Endlager finden. Weshalb ich solange überlegt habe, ist das Wort Endlager. Da bin ich mir nicht sicher, ob es ein Endlager gibt – es gibt ja kein Ende, wenn man bedenkt, wie lange das strahlt.

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[1] siehe dazu tagesschau: Wird Schacht "Konrad" nie in Betrieb gehen?, online unter: https:// www.tagesschau.de/investigativ und die Stellungnahme der AG Schacht KONRAD, online unter https://www.ag-schacht-konrad.de/ konrad/konrad-aktuell/konrad-aktuell/schacht-konrad-am-ende

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[2] das Gesetz schreibt eine Millionen Jahre vor (vgl. §23 Absatz 5 des Standortauswahlgesetzes)

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[3] eine Heiße Zelle beschreibt ein abgedichteten Raum, in dem Gefahrenstoffe abgeschottet hantiert werden können

Vorwort Jörg Langenberg Bleckenstedt 1976-2000 Silke Westphal 2002-2011 Speculation
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2011-2023 Ursula Schönberger Steffi Schlensog
Memos

 

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Herausgeber

Anton Rusch

Redaktion und Gestaltung

Anton Rusch

Vielen Dank an die Interviewpartner*innen

Jörg Langenberg
Silke Westphal
Christin Selensky
Carsten Kawka
Ursula Schönberger

Vielen Dank

Jannes Ulbrich
Konstanze Schirmer
Jutta Tränkle
Klaus Neuburg
Simon Roth
Steffi Schlensog
Ludwig Wasmus
Max Präkelt

Betreuung

Bianca Kóczán
Jutta Tränkle
Klaus Neuburg

Typefaces

ABC Asfalt Edu &
ABC Favorit Edu von Dinamo Typefaces

Veröffentlichung

Die Website basiert auf dem Buch
RESONANZ ZUM ENDLAGER, welches am 23.01.2024 veröffentlicht wurde. Das Buch entstand im Rahmen einer Bachelorarbeit im Studiengang Mediendesign an der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften.
Die Website entstand als Projektarbeit im Master Transformation Design an der HBK Braunschweig.


© Anton Rusch

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Quelle: eRecht24

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